12.300 Kilometer Luftlinie trennen uns von dem südamerikanischen Land auf der anderen Seite des Globus, welches geprägt ist durch die atemberaubenden Anden und die weitläufige Pampa. Nicht nur anderes Klima, Wetter und Natur unterscheiden Argentinien von Deutschland, sondern auch die historischen Traditionen und vielfältigen Kulturen. Wie ist es also für neun Monate sein Heimatland zu verlassen und in Deutschland zur Schule zu gehen? Celeste hat mir berichtet!

Kannst du dich einmal kurz vorstellen?

Hallo, ich bin Celeste. Ich bin jetzt 18 Jahre alt und wohne in Argentinien ganz im Süden. Ich mag Reisen, Musik hören, Filme gucken und Lesen. Wenn ich zurück komme, werde ich die Uni anfangen und wahrscheinlich Chemie studieren.

Wie würdest du Argentinien beschreiben?

Argentinien ist sehr laut, bunt und multikulturell. Wir haben viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Ländern und deshalb auch diverse Kulturen, Traditionen und Sitten. Die Familie ist an höchster Stelle und oftmals gibt es viele Kinder, Cousinen, Onkel und Tanten. Also eine richtige Großfamilie, mit der man viel Zeit verbringt. Leider ist es aber nicht so sicher im meinem Heimatland, weil es viel Kriminalität gibt.

Warum hast du dich dazu entschieden, dein Auslandsjahr in Deutschland zu machen?

Ähm… es ist ein bisschen kompliziert. Zuerst wollte ich mein Auslandsjahr in England, Großbritannien machen, aber es gab leider kein Programm für ein ganzes Jahr. Ich wollte nämlich neun Monate weg sein und nicht nur für fünf Monate. Dann wollte ich nach Österreich, aber ich konnte nicht, weil ich über der Altersgrenze sein würde. Da ich Deutsch schon ein halbes Jahr gelernt hatte, habe ich mir gesagt, nein, ich muss Deutsch sprechen. So bin ich in Deutschland gelandet.

Hast du vorher schon mal was über Bremen gehört oder gelesen?

Gar nichts! Ich kannte nur Berlin, Hamburg und Frankfurt, Bremen aber nicht.

Hattest du bestimmte Erwartungen oder Vorstellungen? Haben sich diese bewahrheitet?

Am Anfang des Programms wurden wir bei der Vorbereitung darauf hingewiesen, nicht viele Erwartungen zu haben. So bist du nicht traurig, wenn es nicht deinen Vorstellungen entspricht. Ich hatte nicht so viele Erwartungen. Aber ich bin so zufrieden hier, denn es war so ein schönes Jahr.

Wie gefällt es dir hier am Kippenberg-Gymnasium?

Sehr gut! Am Anfang war es sehr schwierig. Ich hatte gar keine Freunde. Kennst du dieses Stereotyp, dass deutsche Menschen kalt sind? Ich habe es genauso empfunden. Oder, dass die Schüler:innen schüchtern sind. Aber ich habe ganz nette Menschen kennengelernt und das ist so eine große Schule. Ich habe mich sehr oft am Kippenberg-Gymnasium verirrt. Aber ich finde es ganz cool, dass man zu den anderen Klassen laufen muss und man lernt in den verschiedenen Kursen sehr viele Menschen kennen. 

Was ist anders im Vergleich zum Schulsystem in Argentinien?

Es ist ganz anders. In Argentinien haben wir die „Primary School“, die du sieben Jahre lang besuchst. Danach wechselst du in die „High School“. Das sind etwa fünf bis sechs Jahre und danach gehen wir an die Universität. Außerdem sind wir das ganze Jahr nur in einer Klasse und die Lehrer kommen immer zu uns. So sind wir durchgehend mit den gleichen Menschen zusammen. Dagegen sind die Fächer aber sehr ähnlich im Vergleich zu Deutschland. 

Was war die größte Herausforderung für dich?

Ich würde sagen, deutsche Freunde zu finden und Deutsch zu verstehen. 

Was vermisst du am meisten an Argentinien?

Die argentinische Kultur unterscheidet sich stark von der deutschen. Ich vermisse die körperlichen Berührungen. Wir umarmen uns in Argentinien immer sehr viel oder wir sagen „Hallo“ mit einem Kuss auf die Wange. Solche Dinge macht man hier eben nicht so. 

Zudem ist es viel einfacher Freundschaften zu schließen. Du kannst Menschen auf der Straße treffen und dich mit ihnen anfreunden, weil jeder sehr offen ist und auf einen zugeht. Hier in Bremen ist es nicht üblich sich auf der Straße zu grüßen. 

Hat dich etwas an Deutschland besonders überrascht oder schockiert?

Ja, ganz viel! Die wenige körperliche Berührung, aber auch das Essen ist deutlich anders. Jeder ist hier sehr selbständig. Mir gefällt das sehr, weil ich und meine Gastgeschwister in unserer Freizeit machen können, was wir wollen. Wenn wir Lust darauf haben etwas gemeinsam zu unternehmen, dürfen wir das machen. Ich finde das cool, weil in Argentinien sind wir sehr gemeinschaftlich. Wir verabreden uns oft zusammen und machen Sachen eher nicht alleine. 

Zudem habt ihr so viele verschiedene Sorten von Brot und Käse. So viel! Mein Lieblingsbrot ist Pita.

Was waren deine Top 3 Highlights?

Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt und dass ich hier Gastschülerin sein durfte. Ich bin sehr viel gereist und habe andere europäischen Länder, wie zum Beispiel Frankreich oder Tschechien erkundet. Das ist jetzt das erste Mal, dass ich außerhalb meines Heimatlandes gegangen (dass ich mich außerhalb meines Heimatlandes aufgehalten habe/dass ich aus meinem Heimatland hinausgekommen bin?) bin. Ich habe mich sehr gefreut, das erleben zu können. Auf jeden Fall aber auch meine Gastfamilie. Sie sind echt toll und ich mag sie sehr. 

Was wirst du am meisten vermissen, wenn du wieder zurückfährst?

Ich werde alles vermissen. Meine Gastfamilie sehr viel. Als ich hierher kam, wusste ich, dass ich meine eigene Familie nach einem Jahr bald wieder sehen würde, aber jetzt gehe ich zurück und weiß nicht, wann ich meine Gastfamilie wieder sehen werde. Ich werde sie sehr vermissen. Meine Freunde auch, denn die Flugtickets sind sehr teuer um hierher zu fliegen. Und weißt du, ich habe mich zwar oft über die deutsche Kultur beschwert, dennoch werde ich sie auch vermissen. Die kleinen Dinge machen dieses Erlebnis und die Erfahrung so besonders. 

Wenn du auf das Jahr zurückblickst, was hättest du anders gemacht?

Ich denke, ich würde weniger auf Englisch sprechen, weil es am Anfang so sehr viel einfacher war zu kommunizieren, da jeder hier Englisch kann. So hatte ich nie die Situation Deutsch sprechen zu müssen. Es ist wichtig, die Sprache des Landes zu sprechen und nicht auf Englisch auszuweichen. Du wirst Fehler machen, aber das ist nicht schlimm. Auch hätte ich eher versucht mehr Freunde an der Schule zu finden. Ansonsten bin ich aber insgesamt sehr zufrieden.

Welche Vorteile siehst du im Auslandsjahr?

Ich denke, man lernt selbstständig zu sein. Am Anfang, wenn man in das andere Land kommt, ist man wie ein Baby. Man kann die Sprache nicht, kennt die Menschen und seine Gastfamilie noch nicht und man muss neue Freunde finden, sowie in der Schule neu anfangen. So ist man im Grunde wie ein Baby. Ich finde, wenn man ein Auslandsjahr macht, muss man eine neue Sprache lernen, neue Menschen kennenlernen und man wird damit reifer. Auch wenn man 16 oder 17 Jahre alt ist, wird man mehr zum Erwachsenen, weil seine Eltern nicht da sind und nicht helfen können. Man ist ganz auf sich allein gestellt, in einer Familie, die man nicht kennt. Dann wundert man sich, was man hier macht. Ich denke, dass einzige, was man machen muss, ist zu überleben und sich anzupassen. Man kann weder ohne die Sprache noch ohne Freunde auskommen, denn es ist so eine lange Zeit, die man im Ausland verbringt. Der coole und nicht so coole Part ist, dass es alle Emotionen an die Grenzen bringt. Von Glücksmomenten bis zur Traurigkeit erfährt man alles, was in einem steckt. Man ist dann vom Universum gezwungen wieder aufzustehen. Man kann nicht da bleiben, wo man ist, sondern muss sich dann weiterentwickeln. 

Hast du Tipps für Schüler:innen, die ein Auslandsjahr machen wollen?

Ich würde sagen, man sollte eine Bindung zu seiner Gastfamilie aufbauen und falls man mit ihnen nicht so gut klar kommt, sich nicht davor fürchten die Gastfamilie zu wechseln. Denn wenn man keine gute Gastfamilie hat, die dafür sorgt, dass man sich Zuhause fühlt, dann kann man sich nicht so gut in dem Austausch zurechtfinden. Man hat nämlich Probleme in der Schule, Probleme Freunde zu finden, die Sprache zu lernen, aber man kann nicht Probleme mit seiner Gastfamilie haben, denn sie ist es, die Unterstützung bieten kann. Ich glaube, dass ich das sehr gut hinbekommen habe und jetzt eine zweite Familie gefunden habe.

Auf jeden Fall sollte man sich die Zeit nehmen, die Menschen kennenzulernen. Auch wenn es hart sein kann, Freunde zu finden, ist es das dennoch wert, es trotzdem zu versuchen. Nicht nur andere Austauschschüler:innen, denn das wird deutlicher einfacher sein, weil sie in der gleichen Situation sind, wie man selbst. Aber am Ende ist es trotzdem auch gut, Freunde in dem Land zu finden. Zusätzlich ist es wichtig zu versuchen die Sprache zu sprechen und zu lernen. Ich weiß, dass mein Deutsch nicht das Beste ist, aber man kann die Sprache nicht lernen ohne sie zu sprechen. 

Mein letzter Tipp ist die Ausrede: “Ich bin ein:e Austauschschüler:in.“ so oft zu benutzen wie man kann, denn man wird es in keiner anderen Situation mehr gebrauchen als jetzt.