Von Ende Dezember 2020 bis Anfang Juni 2021 habe ich im Rahmen eines Auslandsjahres etwas mehr als fünf Monate in Irland verbracht. Genauer gesagt in Kilkenny – einer kleinen, dafür aber hübschen und historischen Stadt im Südosten Irlands. Untergebracht war ich nicht weit vom Stadtzentrum in einer Gastfamilie bestehend aus Gastmutter, einer italienischen Gastschwester und zwei Katzen. Dort war auch die Loreto Secondary School, die ich zusammen mit meiner Gastschwester besucht habe. Dadurch, dass die meisten Schulen in Irland geschlechtsgetrennt sind, bin auch ich auf eine reine Mädchenschule mit etwa 1300 Schülerinnen gegangen.

Aller Anfang ist schwer!?

Bereits die Einreise nach Irland stellte einige Hürden auf. Neben der Masken- und teilweisen Testpflicht musste man zudem noch etliche Dokumente mit sich führen, um Infos zum Quarantäneort, sowie Angaben zur eigenen Person zu geben. Ganz zu Schweigen von den Arbeitskräften am Flughafen in Dublin, die hinter doppelter Scheibe mit Mundschutz saßen und kaum zu verstehen waren. Nachdem ich dann endlich in meiner Gastfamilie ankam, begann auch meine zweiwöchige Quarantäne, in der ich mich vor allem erstmal einlebte und meine Gastfamilie näher kennenlernte. Gleichzeitig nahm ich am online Basecamp teil, das von der irischen Partnerorganisation gestellt war und hauptsächlich zum Auffrischen von Englischkenntnissen und Kennenlernen der irischen Kultur bestimmt war. 

Die Weihnachtszeit ging schnell vorüber und kurz nach Anfang des neuen Jahres freute ich mich bereits auf die Schule. Es kam jedoch völlig anders als erwartet, denn die Infektionszahlen schossen in die Höhe und ganz Irland ging in den Lockdown. Es herrschten einige der strengsten Maßnahmen Europas und man durfte sich nur in einem Radius von fünf Kilometern außerhalb des Hauses bewegen. Wie sich später herausstellte, hielten die Einschränkungen bis zum April an. Damit begann auch schon bald der Online-Unterricht über Zoom.

Ich war im 4th year, dem sogenannten Transition Year, welches ein optionales Jahr im irischen Schulsystem ist und vor allem auf persönliche Weiterentwicklung und neue Erfahrungen ausgerichtet ist. Das heißt, dass man zusätzlich oder manchmal auch anstatt von Unterricht viele verschiedene Workshops und Aktivitäten hat, die sich mit allen möglichen Bereichen beschäftigen. So nahm ich an Poetry Slams und Look into Law Modulen teil, programmierte eine Woche lang, bekam Einblicke in die renommierteste Medizinuniversität Irlands (Royal College of Surgeons in Ireland), konnte in verschiede Berufsgruppen reinschnuppern und vieles mehr. Das angebotene Programm war unglaublich groß und vielfältig. Nebenbei hatte ich wöchentlich etwa 16 Stunden pro Woche über Zoom Unterricht und die sonstigen Stunden verbrachte ich größtenteils mit Projekten und Hausaufgaben.

Der Schultag begann täglich um 08:45 und endete um 16 Uhr (außer Freitags, wo wir bereits um 13:30 Schulschluss hatten), weshalb ich Nachmittags immer mit meiner Gastschwester für mindestens eine Stunde draußen spazieren war und wir gemeinsam die Gegend erkundeten. Nach mehreren Wochen kannten wir uns bereits besser in Kilkenny aus, als so mancher Ortsansässige. An den Wochenenden trafen wir uns regelmäßig mit den anderen Austauschschüler:innen aus unserer Region, um etwas Abwechslung in unseren Alltag reinzubekommen. Viele kamen aus Italien, aber es gab auch einige Deutsche und Spanier, sowie eine Dänin. Zusammen verbrachten wir viel Zeit und tauschten uns über unsere Erfahrungen in den Gastfamilien und den Eindrücken Irlands aus.

Irland zeichnet sich besonders durch die sehr netten und gastfreundlichen Menschen aus, die jederzeit bereit sind dir zu helfen. Neben dem Linksverkehr gibt es viele Grünflächen, Kirchen und Mauern. Besonders in Kilkenny wird Sport sehr großgeschrieben. Jeder betätigt sich körperlich, egal ob jung oder alt. Überall sieht man Menschen joggen, laufen und Hurling oder Fußball spielen. Kilkenny hat eine wahre Fülle an Geschichte und die vielen historischen Bauwerke, wie zum Beispiel das Kilkenny Castle, die Black Abbey Kirche oder die High Street erinnern an vergangene Zeiten. Der Mythos vom dauernden Regen stimmt zwar, jedoch kam nach einem Regenschauer oft die Sonne hervor und Regenbögen entstanden.

Kilkenny Castle
Kilkenny Castle

Schulalltag

Nach den Osterferien wurden nach und nach die Corona Maßnahmen gelockert und ich konnte endlich richtig zur Schule gehen. Mir blieben sechs Schulwochen, um diese Zeit voll auszukosten und ich machte es mir zum Ziel das Beste aus diesen Wochen rauszuholen. Am ersten Tag war ich ziemlich gespannt auf die Schülerinnen und Lehrer:innen. Bereits der halbstündige Schulweg, den ich zusammen mit meiner Gastschwester ging, ließ mich in die Atmosphäre eintauchen. Schüler:innen aus allen Schulen strömten in ihren spezifischen Uniformen in die Schulgebäude und es war lautes Stimmengewirr zu hören. Die Mädchenschule Loreto Secondary School war ziemlich modern ausgestattet und gehörte zu einer der besten Schulen in Kilkenny. Ich gewöhnte mich ziemlich schnell an die neue Situation und schon bald fand ich Anschluss. Dabei muss ich aber anmerken, dass die Iren ein wenig schüchtern sind und man deshalb einfach offen auf sie zugehen und sie ansprechen sollte.

Zeitgleich trat ich dem Leseclub, sowie dem Camogie Team bei, wo ich herzlichst aufgenommen wurde. Camogie ist eine der schnellsten Mannschaftssportarten und ein irisches Nationalspiel. Man spielt mit Holzschlägern (sog. Hurls) und das Ziel ist es, den Sliotar (Ball) in das Tor zu schießen. Dabei bezeichnet der Begriff Camogie das Spiel unter Frauen und Mädchen und Hurling ist die männliche Version davon. Die Mädchen zeigten mir einige Tricks und Tipps und bald konnte ich sogar mit ihnen spielen, wenn auch nicht so herausragend wie sie. So lernte ich viele neue Leute kennen.

Der Unterricht wurde oft durch aktuelle Anlässe und Medien gestaltet. Jeden Tag hatten wir sechs unterschiedliche Fächer, die je eine Stunde dauerten und auch hier fanden viele Workshops statt. Es gab besondere Fächer, wie Chinesisch, Home Economics (Kochen), Unternehmertum, Drama, etc., die ziemlich viel Spaß machten. Der Unterricht insgesamt war nicht sonderlich schwer und die Lehrer:innen auch nicht streng. So herrschte ein ziemlich lockeres Verhältnis in den Unterrichtsstunden. Während des Schultags mussten wir dauernd Masken tragen und es wurde regelmäßig gelüftet, sowie die Sitzplätze desinfiziert. Trotzdem war ich froh zur Schule zu gehen.

Woche um Woche ging vorbei und mein Auslandsjahr näherte sich langsam dem Ende zu. In der Schule standen zwei Prüfungen in Mathe und Englisch für mich an, ebenso wie die Transition Year Show. Zuvor hatten wir mehrere Wochen lang Choreografien für die Show eingeübt, die dann aufgenommen wurden und unter anderem auch zu einem kleinen Film zusammengeschnitten worden sind. Das Wetter wurde besser und nach der Schule traf ich mich oft mit meinen Freunden, um die restliche Zeit zu genießen. Als der letzte Tag anstand, konnte ich es nicht so recht glauben, dass alles so ziemlich schnell ein Ende fand. Mir waren Kilkenny und die Menschen ans Herz gewachsen und die Aussicht, es zu verlassen, betrübte mich. Dennoch war mir auch klar, dass alles Schöne irgendwann ein Ende hat und der Moment nun eingetreten war, Abschied zu nehmen.

Fazit

Das halbe Jahr in Irland zu verbringen war ein vollkommen einzigartiges und tolles Erlebnis. Trotz Corona und der vielen Einschränkungen habe ich es nicht bereut nach Kilkenny gegangen zu sein, denn ich habe persönlich viel für mich mitgenommen und dabei auch deutlich meine Sprachkenntnisse aufgebessert.

Ein Highlight meines Auslandsaufenthaltes in Irland waren auf jeden Fall die selbst organisierten Trips nach Dublin und Cork. Zusammen mit den anderen Austauschschülern fuhren wir mit dem Bus in diese Städte, als wir wieder in Irland reisen durften. Dublin ist die Hauptstadt Irlands und voller toller Orte und Sehenswürdigkeiten. Es ist eine sehr moderne, aber gleichzeitig historische Stadt mit viel Straßenkunst. An jeder Ecke gab es etwas Interessantes zu entdecken. Cork hingegen glich eher einer Urlaubsstadt am Meer, mit ganz eigenem Flair.

Zum Abschluss möchte ich alle dazu motivieren, etwas Neues auszuprobieren und sich aus seiner Komfortzone herauszuwagen, so klein es auch sei. Man muss nicht unbedingt ein Auslandsjahr machen, um Neues kennenzulernen und über sich selbst hinauszuwachsen, aber ich kann es dennoch jedem sehr empfehlen.