2020 war ein schwieriges Jahr für uns alle, doch jeder hat es anders empfunden. Bewohner:innen von Pflegeheimen haben es besonders schwer gehabt, da sie zum Teil völlig von der Außenwelt abgeschnitten waren.

Dass die Pflegeheime natürlich mal schöner waren und der Tagesablauf der Bewohner:innen nicht nur aus basteln, rausgucken und sich den Tag vertreiben bestand, ist klar. Doch wie sah und sieht es in Zeiten von Corona aus?

Eine Frau sagt immer, wenn es so bleibt, ist es gut. Es soll nur nicht schlechter werden.

Edith G. – Bewohnerin einer Einrichtung für Betreutes Wohnen

Da meine Großmutter Heimärztin ist, haben wir ihr Anfang Februar, zur Zeit des zweiten Lockdowns, eine E-Mail mit Fragen gesendet, um so ein paar Infos zur Situation in den Heimen bekommen:

Dürfen die Bewohner*innen das Altenheim verlassen?

Ja, dürfen sie. Sie müssen sich aber natürlich an die gerade geltenden Corona-Regeln und Kontaktbeschränkungen halten, so wie andere Menschen auch. AUSNAHME: Wenn die Bewohner sich krank fühlen, z.B. Halsschmerzen, Husten oder Fieber haben, dürfen sie das Seniorenheim natürlich nicht verlassen, sie werden dann in einem Zimmer isoliert, ein Arzt wird benachrichtigt und ein Corona-Test wird veranlasst. WEITERE AUSNAHME: Wenn die Bewohner zuvor in einem Krankenhaus behandelt worden sind, müssen sie für 14 Tage in Quarantäne d.h. sie dürfen ihr Zimmer nicht verlassen oder sie müssen nach frühestens 5 Tagen einen negativen Corona-Test nachweisen. NOCH EINE AUSNAHME: Das ganze Heim steht unter Quarantäne, sobald mehrere Bewohner oder Pflegekräfte positiv auf Corona getestet wurden (nennt sich Ausbruch). Diese Quarantäne wird vom Gesundheitsamt angeordnet.

Dr. Sigrid Gröticke

Wie stark sind die Bewohner*innen eingeschränkt und wie fühlen sie sich dabei?

Die verschiedenen Seniorenheime haben jeweils eigene Hausregeln, natürlich entsprechend der geltenden Corona-Verordnungen. Die Heimleitung darf zum Beispiel bestimmen, wie oft die Bewohner Besuch bekommen dürfen. In manchen Heimen ist das nur 2x pro Woche für 1 Stunde von jeweils einer Person, die sich vorher anmelden muss. Manchmal muss auch eine Pflegekraft mitgehen, die aufpassen soll, dass die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden (wegen Personalmangels ist das aber nicht immer so). Seit Ende Dezember müssen sich die Besucher in den Heimen vorher per Schnelltest auf Corona testen lassen, bevor sie ihre Angehörigen besuchen dürfen. Das schreckt viele Besucher ab, so dass die Bewohner viel seltener und von viel weniger Menschen Besuch kriegen, als früher. Da es aber nicht genug Schnelltests gibt, werden in manchen Heimen auch Besucher mit FFP2-Masken ohne Test akzeptiert, das hängt von der Heimleitung ab. Die Bewohner sind natürlich sehr traurig, dass sie so selten und nur kurz Besuch bekommen. Sie fühlen sich einsam. Manche haben ihre Enkelkinder seit fast einem Jahr nicht gesehen. Sie leiden auch darunter, dass sie nicht umarmt werden. Vor allem Menschen mit Demenz verstehen diese veränderten Regeln überhaupt nicht.

Dr. Sigrid Gröticke

Gab es schon infizierte oder sogar Todesfälle und wie gehen die Bewohner damit um?

In fast allen Bremer Seniorenheimen gab es schon Infizierte, in manchen sogar sogenannte Ausbrüche. Leider gab es auch schon sehr viele Todesfälle. Ich weiß nicht, ob die anderen Bewohner es so deutlich wissen, wer und wie viele Menschen gestorben sind, denn leider ist es so üblich, dass immer wieder mal jemand verstirbt, natürlich nicht nur an oder mit Corona. Die meisten Heimbewohner möchten das nicht so genau wissen, weil es sie sehr traurig macht und sie dadurch Angst bekommen.

Dr. Sigrid Gröticke

Wie ist die Meinung der Bewohner zum Coronavirus?

Sehr unterschiedlich: Manche haben große Angst, selbst zu erkranken und vielleicht einsam im Heim oder auf einer Intensivstation zu sterben. Andere sagen, es wäre ihnen nicht so wichtig, sie würden es nehmen, wie es kommt, weil sie schon sehr alt sind und es akzeptieren, dass das Leben irgendwann zu Ende ist. Sie leiden eher unter den Corona-Regeln und der Einsamkeit.

Dr. Sigrid Gröticke

Wie ist die Meinung der Bewohner zum Corona-Impfstoff?

Fast alle Bewohner sind froh über die Impfung und freuen sich darauf, endlich geimpft zu werden. Es gibt kaum Bewohner, die nicht geimpft werden wollen. Außer leichten Schmerzen an der Einstichstelle am Oberarm wurde bisher von keine schlimmen Nebenwirkungen berichtet.

Dr. Sigrid Gröticke

Was kann man daraus schließen?

Für die Bewohner wurde auf einmal alles anders. Früher konnte man immer Besuch kriegen und das war dann auf einmal vorbei. Die Ungewissheit, wann alles wieder aufhören wird, hat es auch nicht besser gemacht. Durch die Impfungen wird aber hoffentlich alles einfacher für die Bewohner.

Quelle: Interview: Dr. Sigrid Gröticke